Roth wirkt. Grusswort an der Vernissage von Dunja Herzog, Marie Velardi und Amanda Tröndle-Engel & Oskar Tröndle am 1. Juni 2024 im Kunstmuseum Solothurn.
Liebe Kunstschaffende, liebe Leute
Ich sass am Tisch und war auf einmal unsicher. Ich, Politikerin, darf das Grusswort für die Vernissage im Kunstmuseum bringen. Kommt das gut? Die Annäherung zweier so unterschiedlicher Sphären wie der Kunst und der Politik ist naturgemäss nicht frei von Spannungen.
Die Kunstschaffenden, die in den letzten Wochen den politischen Raum in Bundesbern betraten, um für eine starke Kulturbotschaft zu votieren, wollen sich zu Recht diesen Raum erobern, wollen ihm nicht einfach dienen. Ich, die politische Akteurin wiederum muss und will dem künstlerischen Schaffen im Museum zunächst einmal mit Zurückhaltung begegnen. Just in dem Moment klingelt mein Freund und Kunstschaffender Franco Müller an der Tür. Ich berichtete von meinem Spannungsfeld.
Dass ich mich vor dilettantischen Floskeln oder fremden Federn fürchte. Über die Wichtigkeit der Kunst für die Gesellschaft grüble und mich über den Fehler der Kollegen in der Wandelhalle, die den Wert eines Objekts erst erkennen, wenn es auf dem Markt wertvoll ist, enerviere.
Franco sinnierte: Sprich über die Bedeutung, nicht vom Irrtum.
Komischerweise stellt sich die Frage nach der eigentlichen Bedeutung der Kunst fast immer, wenn es darum geht, wie viel sie kosten darf und selten bis nie wird im Parlament darüber debattiert, was sie für unser Verständnis von uns selbst, für unseren Mangel wie für unsere Stärke schafft. Kommt hinzu, dass sich für viele Menschen Kunst über den Schwierigkeitsgrad definiert.
Ich freue mich an dieser Stelle eine lustige Anekdote zu erzählen, die mir als Lehrerin in Erinnerung geblieben ist.
Zur Veranschaulichung, was denn der Unterschied von indischen und afrikanischen Elefanten ausmacht, zeichnete ich zwei Elefanten an die Tafel. Die Kinder empörten sich. "Frou Roth, du chasch besser Rede aus zeichne, tue eifach erkläre."
Das Beispiel lehrt, Bilder in der Öffentlichkeit sind etwas anderes als persönliche, gutgemeinte Gehversuche Richtung Klarheit.
Kunst ist ab dem Augenblick, wo sie öffentlich präsentiert wird, nicht mehr die private Meinung der Kunstschaffenden, sondern geht uns alle etwas an. Ob sie dem Publikum gefällt oder nicht.
In der Politik ist das ja auch nicht anders. Solange die Kritik zuhause bleibt, ist sie privat. Sobald sie jedoch öffentlich wird, ist es nicht mehr nur eine Meinung, sondern wird ein politisches Argument, das uns alle etwas angeht.
Liebe Leute
«Nicht gegen den Fehler, sondern für das Fehlende», ist die schöne Maxime von Paul Moor.
Der Fehler ist sein eigenes Verständnis von Kunst als Massstab für deren Förderung und somit Finanzierung zu verstehen. Das Fehlende sind Debatten, dass Kunst und Kultur dafür prädestiniert sind, sich offen den grossen Fragen unserer Zeit zu stellen.
Und wo Vorstellungskraft fehlt, kann Kunst neue Bilder und Visionen entwickeln. Wo Sprachlosigkeit herrscht, kann Kunst die richtigen Worte finden. Wo die Bühne fehlt, und Schönheit verborgen bleibt, bringt Kunst sie ans Licht.
Böse Zungen können jetzt sagen: Roth, mach nicht den Fehler lange zu reden, denk lieber an die fehlende Zeit für den Apéro. Mache ich!
Deshalb noch diese eine Kurve vor dem Landeanflug auf das Kulinarische:
Beim Essen ist es ja so: was auf den Tisch kommt, ist öffentlich. Was auf dem Teller liegt, ist privat und was ich mir in den Mund schiebe, ist intim.
Lassen Sie sich also bitte politisch und in der Kunst nichts in den Mund schieben, das Sie nicht von Ihrem eigenen Teller nehmen können. Lassen Sie sich aber auch nichts von Ihrem Teller nehmen, es sei denn Sie sind froh, weil Sie es nicht gerne haben. Danke für die Aufmerksamkeit.
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